Letzte Woche habe ich auf Instagram ein Bild von mir gepostet, auf dem ich lache. Es gibt nicht viele solcher Bilder. Die Gründe hierfür sind vielfältig, oftmals hat es sich in den letzten Jahren einfach falsch angefühlt. Eine ganze Zeit lang hat es sich so angefühlt, als dürfte ich nicht auch gute Tage haben, weil es mir sonst psychisch schlecht ging. Klingt verrückt, aber so war es. Jetzt gibt es immer wieder Momente, in denen es sich anfühlt, als müsste ich den immer noch vorhandenen Schmerz weglachen, auch nach all der Zeit, weil ich wieder "funktionieren" muss, da ich bereits meinen fairen Anteil am "Nichtfunktionieren" hatte. Ich habe von Zeit zu Zeit wieder angefangen eine Maske zu tragen. Aber es geht hier nicht nur um mich, und es geht auch nicht nur darum, ob psychisch krank oder gesund. Es geht um das Verstecken von Gefühlen und der eigenen psychischen Verfassung, es geht um Ehrlichkeit, Offenheit und Beziehungen.
Aber warum ist es so schwer, seine wahren Gefühle zu zeigen und sich jemandem gegenüber zu öffnen? Natürlich kann ich hier nicht für alle sprechen. Manche werden denken, das ist doch völliger Blödsinn, du kannst machen, was du willst, es ist deine freie Entscheidung (vielleicht nicht am Arbeitsplatz, aber zumindest im Privatleben).
Aber für mich hat es sich eben nicht nach einer solch freien Entscheidung angefühlt. Eher wie ein Druck, eines davon zu wählen und das andere zu verbergen. Es gab schwarz oder weiß, krank oder gesund, glücklich oder traurig. Ein Versuch, nicht kategorisierbare Themen zu kategorisieren und runter zu rationalisieren. Auch wenn ich für Offenheit eintrete, kann ich ihr eben nicht immer gerecht werden. Und vielleicht geht es einigen von euch genau so. Auf die eine oder andere Weise erschaffen wir alle ein Bild von uns im Außen, das wir in bestimmten Situationen für angemessen halten oder von dem wir glauben, dass andere es meisten akzeptieren würden, und wir wollen genau diesem Bild gerecht werden, koste es, was es wolle.
Unsere Gesellschaft verlangt noch immer von uns, dass wir funktionieren, keine Schwäche zeigen und unser wahres Ich um jeden Preis verbergen. Menschlich zu sein ist keine akzeptable Option. Gerade Gefühle zu zeigen, wird noch immer als Schwäche angesehen. Bevor wir unsere Maske ablegen, ziehen wir uns lieber zurück und verstecken uns in der Einsamkeit.
Genau dann laufen wir jedoch Gefahr, die Verbindung zu uns und zu unseren Liebsten zu verlieren und den sehr hohen Preis schwerer psychischer Erkrankungen zu zahlen. Mein Therapeut hat einmal etwas gesagt, das mir für immer im Gedächtnis bleiben wird: "Wenn du niemals jemandem dein wahres Ich zeigst, wie soll dir jemand wirklich nahe sein."
Aber was hält uns davon ab anderen unser wahres Ich zu zeigen?
Die Antwort ist sehr einfach und doch kompliziert. Sie beruht, wie viele andere Dinge auch, auf Ängsten und Selbstwertproblemen. Ängste davor, sich verwundbar zu zeigen, verletzt zu werden, anders behandelt zu werden, nicht gemocht zu werden, abgelehnt zu werden oder einfach nicht genug zu sein. Ich habe mir mehr als einmal die folgende Frage gestellt: "Wie kann mich jemand mögen, wenn ich mich selbst nicht einmal mag?", also verstecke ich mich lieber.
Aber wie es so oft mit Ängsten oder dem Umgang mit dem inneren Kritiker ist, sind diese nicht immer real oder kommen der Wahrheit auch nur nahe. Vielmehr sind sie Konstrukte in unserem Kopf, ein Schutzmechanismus, um möglichen Schmerz und Konflikte um jeden Preis zu vermeiden. Und meist beruhen sie auf lang vergangenen Erfahrungen.
Als wir aufgewachsen sind, bekamen viele von uns die Botschaft, dass unsere Meinungen und Gefühle nicht zählen. Wir wurden gezwungen, zu verbergen, was als "gute" oder "schlechte" Gefühle galt oder wurden komplett ignoriert. Auf diese Weise kamen wir zu dem Schluss, dass wer wir sind und was wir fühlen, falsch oder nicht liebenswert sei. Wir haben uns dem angepasst, was für unsere Eltern oder unser Gegenüber akzeptabel oder erträglich war. Wir haben dadurch den falschen Eindruck bekommen, dass Gefühle kontrollierbar oder beherrschbar sind. Bis sie es eben nicht mehr sind, wenn wir sie nur lange genug ignorieren. Dann beginnen sie sich auf irgendeine Weise bemerkbar zu machen, entweder durch physische Krankheiten oder psychisch, so stark, dass sie tatsächlich unkontrolliert in Form von Wut, einer ausgeprägten Depression oder ähnlichen Leiden aus uns herausströmen. Dann, und nur dann, ist es akzeptabel, zu leiden, Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen.
Während meiner Genesung und dem eigenen offenen Umgang mit meinen psychischen Problemen war es keine Seltenheit, dass Menschen, bei denen nach außen hin alles "perfekt" schien, die Fassade fallen liesen und mit mir teilten, dass auch sie zu kämfen haben. Als ich anfing, meine verletzliche Seite zu zeigen, schien mein Gegenüber auch seine Ängste zu verlieren. Genau diese Beziehungen begannen sich gewaltig zu verändern und es entstand echte, wunderschöne Intimität.
Stell dir vor, was passieren würde, wenn jeder von uns einen sicheren Raum für Gefühle schaffen würde, ohne zu urteilen, indem er sich öffnet. Wie viel würde sich dann wohl zum Positiven verändern.
Was für ein Leben wäre das, wenn wir niemanden daran teilhaben lassen, wer wir wirklich sind. Was für Beziehungen haben wir dann mit anderen und vor allem mit uns selbst. Letztlich führt all das nur dazu, dass wir nie echte Intimität erfahren, nach der wir uns alle doch so sehr sehnen. Was wir vergessen ist, dass unser unverblümtes, echtes Selbst für unsere Liebsten vielleicht sogar noch liebenswerter ist als jede Maske, die wir jemals für uns selbst ausgewählt haben. Nimm dir und ihnen nicht die Chance all das zu sehen. Es lohnt sich für echte Intimität auch mal zu leiden.
xx baj.