When do we have "enough" therapy? - baj.

Wann haben wir „genug“ Therapie?

 

 Oder formulieren wir diesen Satz um. Wird es jemals einen Punkt geben, an dem wir uns gesund und stark genug fühlen, um eine Therapie zu beenden? Wir beginnen eine Therapie auf der Suche nach Trost, Heilung und Verständnis, aber manchmal scheint die Reise endlos zu sein.

Das ist die Frage, die ich mir momentan stelle. Wenn man eine Therapie nicht aus irgendeinem Grund abbricht, gibt es in Deutschland eine Höchstzahl an Stunden, die man in Anspruch nehmen kann. Danach ist man in der Regel zu einer Pause von bis zu zwei Jahren gezwungen. Zwar gibt es einige Möglichkeiten und Schlupflöcher, um die Wartezeit zu umgehen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass man eine:n neue:n Therapeut:in finden muss, eine neue Person, zu der man eine Beziehung aufbauen muss, um nochmals seine ganze Geschichte von vorn zu erzählen, um wieder zu vertrauen und sich wieder wohl zu fühlen. Das ist insbesondere schwierig, weil jede:r Therapeut:in anders ist und einen anderen Ansatz verfolgt, da auch sie nur Menschen sind.

Ich bin jetzt genau an diesem Punkt. Ich habe die Höchstzahl der Therapiestunden voll ausgeschöpft. Das Beenden einer Therapie ist wie das Beenden einer Beziehung. Eigentlich bedeutet das im Grunde das Ende einer Beziehung, nämlich der Beziehung zum:zur Therapeut:in. Wir alle haben unterschiedliche „Selbst“. Das welches wir den Personen zeigen, die uns am nächsten stehen, das welches niemand kennt (unser wahrstes Selbst) und das welches wir dem Rest der Welt zeigen. Und, zumindest für mich, ist das letzte, dasjenige zu unseren Therapeut:innen, Life Coaches oder wie auch immer man diese Personen nennen will. Genau diese eine Beziehung ist für mich etwas Seltsames dazwischen. Sie ist, zumindest für mich, die triggernste, aber auch heilsamste und lehrreichste, sich weiterentwickelnde und intensivste Beziehung, die ich je hatte. Niemand sonst kennt meine innere Welt besser als er. Es ist eine Beziehung, die (meistens) keine Scham kennt, sich zu öffnen. Am Anfang fühlt es sich sicher anders an und es war für mich sehr schwierig, mich zu öffnen, aber ich habe mir dann immer gesagt, dass er dafür bezahlt wird, meinem inneren Bullshit zuzuhören, also nutze ich doch besser mal die Zeit. Und nach einer Weile fühlte es sich ganz natürlich an, meine (größtenteils) ungefilterte innere Welt auszuspucken. Auch wenn ich zugeben muss, dass es Themen gab, über die ich nicht gesprochen habe und ich dies auch nicht für nötig gehalten habe. Auch diese Beziehung hat Grenzen und das ist völlig in Ordnung.

Eine Therapie zu beenden bedeutet das Ende einer Beziehung, die mir soviel über andere Beziehungen beigebracht hat. Über Beziehungen zu anderen und zu mir selbst. Es gab Zeiten, in denen ich am liebsten einfach aus diesem blöden Therapieraum gerannt wäre, weil ich mich so missverstanden gefühlt habe. Es gab Zeiten, in denen ich geschrien habe und Zeiten, in denen ich nicht mehr atmen konnte, weil ich in so großem Panikmodus war, und dann gab es wieder Zeiten, in denen ich mich total verstanden und nicht verurteilt gefühlt habe. Im Laufe der Zeit gab oft Situationen, in denen ich alles hinwerfen wollte, aber am Ende des Tages habe ich es nie getan und bin sehr froh darüber. Ich bin geblieben, ich habe gelernt die bestehenden Konflikte zu lösen und ich bin an jedem einzelnen gewachsen. Wir haben alle Höhen und Tiefen einer zwischenmenschlichen Beziehung durchgemacht. Ich habe gelernt, dass das Setzen von Grenzen nicht das Ende einer Beziehung bedeutet (zumindest in den meisten Beziehungen), ich habe gelernt zu vergeben und selbst wenn ich falsch liege, das mein Gegenüber mich nicht aufgibt und danach auch noch dasein wird. Ich habe gelernt, die Grenzen anderer Menschen zu akzeptieren, Menschen loszulassen und sich zu verändern. Aber ich denke, das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass ich trotz all meinen Verrücktheit, aller Höhen und Tiefen, meiner Unsicherheiten, meiner Bedürfnisse und meiner Ängste, gut genug bin. Es wird immer Menschen geben, die dich nicht mögen, dich verurteilen, dich kritisieren, auf dich herabschauen und versuchen, dich klein zu halten. Es gibt Menschen, die dir die Schuld an ihren eigenen Unsicherheiten, Gefühlen und Unzulänglichkeiten geben. Das heißt aber nicht, dass es auch nur annährend etwas mit dir zu tun hat, dass du keinen Wert hast oder nicht liebenswert bist. Es wird immer Leute geben, die dich abweisen, und das ist in Ordnung. Du kannst dich nicht mit allen verstehen und Gott sei Dank ist das genau so. Am Ende werden genau die Menschen, die gut für dich sind, natürlich zu dir hin gravitieren und selbst durch alle Höhen und Tiefen bleiben. Und der Rest wird ganz natürlich aus deinem Leben verschwinden. Du verlierst sie im Laufe der Zeit. Einige von ihnen gehen auf laute und verletzende Art und Weise, andere sehr leise. Und das ist in Ordnung. Das ist Teil des Spiels, von Veränderungen und Beziehungen. Es spielt keine Rolle, aus welchem ​​Grund sie gehen, denn das ändert nichts daran, wie wichtig du für die richtigen Leute bist. Die richtigen Leute werden immer bleiben und die schwierige Zeiten mit dir bewältigen. Die richtigen Menschen geben einem ein Gefühl der Ruhe, man fühlt sich in ihrer Nähe wohl und man fühlt sich gut, auch wenn sie gerade nicht da sind. Sie geben einem Energie und lassen einen nicht im Zweifel. Sie vergeben und helfen. Genau diese Beziehungen werden die schwierigen Zeiten überstehen und auch danach bestehen bleiben. Und das ist so wichtig. Und diese werden, abgesehen von der Beziehung, die du zu deinem:r Therapeut:in hast, auf lange Sicht bestehen bleiben. Für die Nachtherapie.

Meine größten Ängste nach dem Abschluss sind, dass ich das Leben und bestimmte Situationen nicht alleine bewältigen kann und dass ich bestimmte Themen nicht mehr besprechen kann, die ich nur mit ihm besprochen habe. Dass alle Entwicklungen und Veränderungen innerhalb kurzer Zeit weg sein werden und ich wieder da bin, wo ich angefangen habe. Das macht mir verdammt Angst, obwohl ich auch weiss, dass es völliger Blödsinn und völlig irrational ist. Keiner der Fortschritte wird verschwinden. Es wird Rückschläge und Unsicherheiten geben, aber im Laufe der Jahre gab es eben auch so viel Heilung. Ich habe mich verändert; meine innere Welt hat sich verändert. Und nichts wird mir das nehmen. Und selbst wenn eine wichtige Beziehung weg ist, wird es andere geben. Es wird keine Einsamkeit geben. Und vielleicht gibt einem gerade das Ende einer wichtigen Beziehung auch die Chance, den engen Freunden diese sehr tiefe, verrückte Innenwelt ein bisschen mehr zu zeigen und sich zu öffnen. Wir entscheiden, was wir teilen und wem wir Zugang zu unserer inneren Welt gewähren und wie nah wir bestimmte Menschen an uns heranlassen. Vielleicht ist genau dieser Punkt eine Chance, unsere Beziehungen neu zu bewerten und wem wir vertrauen.

Unter Umständen werden wir nie an den Punkt kommen, an dem es sich nach "genug" Therapie anfühlt. Auch hier ist es, wie mit allem anderen im Leben, wir werden nie ganz bereit sein, wir müssen einfach ins Unbekannte eintauchen und von dort aus dann weiter schauen. Aber was ich mit Sicherheit weiss ist, dass das Ende einer Therapie nicht auch das Ende der Wachstums- oder deiner Heilungsreise bedeutet. Es ist ein Übergang, ein Sprungbrett zu einem strahlenderen, gesünderen und stärkeren Selbst. Egal, ob du deine therapeutische Reise fortsetzt oder dich entscheidest, nicht weiter zu machen oder sich jemand anderem zu öffnen, es ist ein Beweis für deine Stärke und dein Engagement für dein eigenes Wohlbefinden und Heilung. 

xx baj.

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