The dark side of depression. - baj.

Die dunkle Seite der Depression.

 

Es ist keine Neuigkeit, besonders für diejenigen, die mit Depressionen zu kämpfen haben, wie langwierig und schwierig der Heilungsprozess ist. Eine einzige Situation kann die geschaffene Welt wieder aus dem Gleichgewicht bringen und einem das Gefühl geben, sich wieder zu verlieren. Das Gefühl geben jeden Fortschritt, den man gemacht hat, wieder einzubüßen, seinen Verstand und sich selbst zu verlieren. Oft braucht man nicht einmal einen konkreten Trigger. Man wacht auf und sie ist wieder da.

Der Umgang mit der eigenen psychischen Gesundheit ist so so chaotisch und die Welt um einen herum scheint das irgendwie zu romantisieren. Wenn man durch die sozialen Netzwerke scrollt, wird es noch schlimmer, denn es kursieren so viele Tipps, so viele selbsternannte Experten und so wenige echte Geschichten. Psychische Probleme scheinen heutzutage fast "en vogue" zu sein. Man hört Leute sagen: "Mensch, ich war heute so depressiv" oder "Das Wetter macht mich depressiv". Es gibt so viele Selbsttests und Selbstdiagnosetools. Sie alle haben jedoch eins gemeinsam, dass sie den tatsächlichen Schmerz der Betroffenen oft zu schmälern scheinen.

Depressionen sind eine echte Krankheit und nicht nur ein Trend, dem man folgt, oder etwas, von dem man leichtfertig behaupten sollte betroffen zu sein. Sie sind real, genauso sind die Folgen real. Insbesondere ist das nichts, was man selbst diagnostizieren sollte, und es ist mehr als nur zu weinen oder traurig zu sein. Schwere Episoden zu haben ist dunkel und chaotisch. Es ist anstrengend und so f*** unkontrollierbar.     

Nach meinem letzten Blogbeitrag hat sich vieles verändert. Manchmal passieren Dinge, über die man absolut keine Kontrolle hat, sie triggern einen, und dann kommt die Dunkelheit. Diese schweren Episoden schleichen sich ran und nehmen einen vollkommen ein. Sie kommen, und es gibt oft keine Möglichkeit, ihnen zu entkommen. Der Versuch, weiterzumachen, zu arbeiten und so zu tun, als ob sich nichts geändert hätte, macht es nur noch schlimmer. Diese Situationen kognitiv zu begreifen, hilft dabei überhaupt nichts. Auch die Akzeptanz für sie ist nach all den Jahren nicht immer da.

In einem Moment fühlt man sich so verdammt gut, alles scheint wieder im Fluss zu sein, und im nächsten Moment ist man einfach am Boden zerstört und stellt alles in Frage. Du denkst, dass du alles unter Kontrolle hast, mit all deinen erlernten Therpie-Skills und was auch immer für einen Mechanismus du hast, und dann f*** dich das Leben doppelt so hart. Alles, was man gelernt hat ist einfach weg. Für Menschen, die nicht an einer psychischen Krankheit leiden, ist es manchmal schwer zu verstehen, wie groß das Spektrum der Emotionen ist und wie eng diese gegensätzlichen Emotionen oftmals beieinander liegen. Man fällt in dieses tiefe, dunkle Loch und denkt, dass man da nie wieder herauskommt. Die Wahrheit ist, dass wir natürlich irgendwie herauskommen, weil das die einzige Möglichkeit ist, die wir haben, aber wie und zu welchem Preis, das ist die große Frage.

In einigen dieser Episoden scrolle ich oft intensiv durch Social Media. Und zu all den bereits vorhandenen Emotionen gesellt sich dann auch noch Wut. Warum? Wegen all den "tollen Tipps" und den unaufgeforderten Ratschlägen, von denen viele Menschen meinen, sie hätten das Recht, dir oder besser gesagt der ganzen Welt diese eben zu geben. Und damit meine ich nicht Seiten von Psychologen oder Ärzten oder ähnlichem. Ich meine Laien. Tipps wie: "Wenn du depressiv bist, tue diese 10 Dinge.". Scheiße, nein. Ich will nicht rausgehen oder mein Lieblingsessen kochen oder duschen. Ich will einfach nur daliegen und ich will, dass es eben auch in Ordnung ist, dass ich genau das auch tue.

Ich habe viel darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee ist, diesen Beitrag zu veröffentlichen, da er vielleicht etwas negativ erscheint und die Leute eher dazu neigen, aufbauende Dinge zu lesen. Aber Depression und der Heilungsprozess sind eben nicht so. Es ist nicht so, dass man einfach eine Liste von Dingen abarbeitet und sich dann plötzlich besser fühlt. Sicher, es gibt Dinge, die manchen Menschen helfen können. Aber ganz ehrlich, es gibt Episoden bei Menschen, die an einem Trauma oder einer schweren Depression leiden, die sich nicht mit all diesen Instagram-Tipps beheben lassen. In anhaltenden Episoden hört man auf, gerade die grundlegenden Dinge zu tun, wie duschen, Zähne putzen, scrollt manchmal exzessiv durch Social Media, um sich abzulenken; schläft exzessiv, da ungewollte Gedanken dann keinen Platz haben; fühlt absolut nichts, hat heftige und dunkle Gedanken und so vieles mehr. Es gibt Tage, da fühlt man sich wie gelähmt, wie betäubt, mehr tot als lebendig. Ich könnte ewig weitermachen. Es ist ein schwerer und dunkler Ort. Genau das sind die Episoden, über die nicht viele Menschen sprechen, und zwar aus vielen verschiedenen Gründen.

Für mich sind solche Episoden nicht das Weinen, die Schmerzen, das Zittern, der Rückzug von allem und jedem. Für mich ist es die Akzeptanz, dass ich diesen Prozess noch einmal durchlaufen muss, dass es außerhalb meiner Kontrolle liegt, dass bestimmte Dinge passieren und dass es wahnsinnig viel Energie kostet, sich wieder aufzurappeln. 

Menschen, die mit solchen Episoden zu kämpfen haben, denken meist, dass andere, die nicht dasselbe durchmachen, sie ohnehin nicht verstehen werden. Es ist schwer zu erklären, und noch schwerer ist es, sich hinterher dafür zu entschuldigen, dass man "nicht funktioniert" hat und sich zurückgezogen, auf keine Nachricht oder Anruf antwortet hat. Die Depressions-Schuldgefühle.

Lange Rede kurzer Sinn. Mit diesem Beitrag möchte ich keine Tipps geben, wie man mit (schweren) Episoden umgeht. Ich bin alles andere als ein Fachfrau. Aber ich bin selbst betroffen und weiß, wie es sich anfühlt und was mir in der Vergangenheit am meisten geholfen hat. Ich wollte dann sicher nichts über Selbstfürsorge hören oder dass das alles vorbeigehen wird. In diesen Momenten sehnte ich mich nach Verständnis, Sicherheit, nach Gleichgesinnten, die genau wissen, wie es sich anfühlt. Deshalb möchte ich dir und allen, die selbst leiden, einige Dinge sagen, die viel wichtiger sind zu hören:

  • Du bist nicht allein.
  • Du bist keine Last.
  • Trauma/Depressionen sind ekelhaft und sie sind real.
  • Es ist ok, dass du du nicht ok bist.
  • Hör nicht auf den toxisch positiven Schwachsinn, den dir die Leute über deine Gefühle oder darüber, wie du dich zu fühlen hast, erzählen. Scheiß drauf. Niemand steckt in deinen Schuhen.
  • Du musst gar nichts tun bis du dich wieder danach fühlst.
Und bitte, wenn die Gedanken immer dunkler werden und du das Gefühl hast, dass es nicht mehr auszuhalten ist, such dir professionelle Hilfe (für Deutschland findest du einige Nummern/Infos am Ende des Artikels).

Und für alle, die einen geliebten Menschen haben, der selbst betroffen ist. Meldet euch (immer und immer wieder, auch wenn ihr nicht immer eine Antwort bekommt), hört zu und versucht einfach, da zu sein. Rückzug ist das deutlichste Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es ist nicht eure "Aufgabe", gute Tipps zu geben oder eine rationale Lösung zu finden. Es gibt nichts Wertvolleres, als jemanden um sich zu haben, der zuhört ohne zu urteilen, mit dem man einfach nur schweigen kann oder der einen mit etwas ablenkt, was einem gut tut. Du magst vielleicht nicht verstehen, was diese Person fühlt oder durchmacht, und das musst du auch nicht. Genauso gut ist es nicht deine Aufgabe alles zu fixen. Gibt dem/der Betroffenen einfach das Gefühl, dass sie gesehen und gehört werden und vor allem nicht allein sind. Dann fühlt sich die Last, die sie zu tragen haben, weniger schwer an und die Betroffenen fühlen sich während und nach solchen Episoden deutlich sicherer.

 xx baj. 

 

Bei Suizidgefahr: Notruf 112

Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33

Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge(0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)

Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.

In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.

Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).

 

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.