How to find a therapist faster? - baj.

Wie finde ich schneller einen Therapeuten?

 

Jeder, dessen Leidensdruck groß genug ist und endlich bereit ist oder war in Deutschland sich nach einem:einer Therapeut:in umzusehen, kennt den schmerzhaften Weg, in angemessener Zeit jemanden zu finden. Es ist schon wahnsinnig schwer, sich überhaupt einzugestehen, dass man Probleme hat und endlich die Energie aufzubringen, sich eine:n Therapeut:in zu suchen. Dann ist es jedoch immer das Gleiche. Man ruft 10, 15, 20 Praxen an. Manche gehen erst gar nicht erst ans Telefon, manche sind super unhöflich und geben einem das Gefühl, dass man etwas falsch gemacht hat, indem man so frech war dort anzurufen, und manche setzen einen auf eine Warteliste für eine Langzeitbehandlung. Diese Wartelisten sind wahnsinnig lang und es kann 6-12 Monate oder sogar noch länger dauern, bis man die Chance auf einen geeigneten Platz hat. Letztlich bieten einige von ihnen auch nur ein bis drei Evaluationsgespräche an, machen aber auch deutlich, dass sie danach keine langfristigen Behandlungsmöglichkeiten haben. Im Grunde sitzt man also da, schüttet vor einem:einer Fremden seine Lebensgeschichte aus und verabschiedet sich nach der letzten Sitzung. Auf Nimmerwiedersehen. Vielleicht mit einer schnellen Diagnose oder zumindest etwas Ähnlichem, wobei man das Gefühl hat, dass man unter diesem Druck nicht einmal seine eigene Geschichte auf die Reihe bekommt, da die Zeit sicher nicht ausreicht, um zu erklären, was man genau fühlt und warum man sich so fühlt. Danach bleibt Wut, Entmutigung und Trauer zurück. All das fühlt sich nach einer Ablehnung an, die absolut niemand erfahren möchte, der um Hilfe bittet. Aber genau das ist die heutige Realität, besonders hier in Berlin.

Im Jahr 1999 wurde mit dem Psychotherapeutengesetz festgelegt, wie viele Therapeut:innen in Deutschland arbeiten dürfen. Die Anzahl der Therapiepraxen richtete sich dabei nach dem damaligen Bedarf. Seitdem hat sich, abgesehen von einigen kleineren gesetzlichen Änderungen, nicht viel getan. Das Angebot an Therapien entspricht nicht mehr der heutigen hohen Nachfrage. Einfach ausgedrückt: Es gäbe genügend qualifizierte Therapeut:innen, die jedoch keinen "Kassensitz" bekommen, d.h. gesetzlich krankenversicherte Patient:innen behandeln können. Sie können nur private, aus der eigenen Tasche zu bezahlende Behandlungen anbieten.

Obwohl die Zahl der Betroffenen steigt, macht der Gesetzgeber keine Anstalten, etwas ändern zu wollen. Es scheint fast so, als würde er völlig verleugnen, dass psychische Probleme echte Krankheiten sind und einer Behandlung bedürfen. Die Zahl der Selbstmorde nimmt zu, und die Betroffenen werden mit ihrem Leid völlig allein gelassen. Es ist eine Schande und es wird immer schlimmer, wenn sich nichts ändert. Psychische Erkrankungen müssen mehr Aufmerksamkeit bekommen, sie müssen entstigmatisiert werden und der Gesetzgeber und Menschen in Entscheidungspositionen müssen endlich akzeptieren, dass psychische Probleme körperlichen Erkrankungen gleichzustellen sind. 

Dennoch gibt es noch einige Möglichkeiten für Betroffene, schneller Hilfe zu erhalten und das derzeitige System zu umgehen.   

Die erste Möglichkeit ist, sich bei den Ausbildungsinstituten für Therapeut:innen in deiner Stadt umzusehen. Es gibt verschiedene hiervon und nicht alle bieten Therapien an, aber die meisten. Du findest dort Therapeut:innen, die Psycholog:innen oder Ärzt:innen in fortgeschrittener, berufsbegleitender psychotherapeutischer Ausbildung sind, aber auch approbierte psychologische Psychotherapeut:innen und Fachärzt:innen. Such dir eine passende Einrichtung raus und schreib sie an. Die Leute, die diesen Weg gegangen sind, haben meist schnell einen Behandlungsplatz gefunden.  

Eine weitere Möglichkeit ist das so genannte "Kostenerstattungsverfahren". Wer sich auf die Anruf-Odyssee bei verschiedenen Therapeut:innen in seiner Stadt einlässt, sollte den Weg gut dokumentieren. Nach § 13 Absatz 3 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten für die Behandlung bei privaten Therapeut:innen unter bestimmten Voraussetzungen zu übernehmen. Das heißt, wenn dir keiner der niedergelassenen Therapeut:innen einen Platz anbieten kann, zahlt deine Krankenkasse die Kosten für eine private Behandlung (die meist keine Wartezeit hat). Dazu muss nachgewiesen werden, dass 1) eine Psychotherapie unbedingt notwendig ist und 2) bei mindestens drei bis fünf Therapiepraxen erfolglos angefragt wurde. Um Letzteres zu beweisen, sollten für jeden Anruf der Name der:des Therapeut:in, Tag und Uhrzeit der abschlägigen Anfrage und die angegebene Wartezeit notiert werden. Um die Dringlichkeit der Situation zu dokumentieren, sollte man eine der Akutsprechstunden aufsuchen, die approbierte Therapeut:innen seit 2017 anbieten. Dort erhälst du eine Einschätzung deiner Situation, die du dem Antrag auf Kostenerstattung bei deiner Krankenkasse beifügen kannst.

Wenn du bereits auf einer Warteliste für eine:n Therapeut:in deiner Wahl stehst, gibt es auch einige Möglichkeiten, um zumindest die Wartezeit zu überbrücken. Eine Möglichkeit ist z.B. die Nutzung einer App, die Online-Therapie, Achtsamkeitstraining usw. anbietet. Je nach Krankenkasse werden die Kosten für Apps wie Selfapy, Mind-Doc, Deprexis24 und viele mehr übernommen. Es gibt in der Regel keine Wartezeiten und die meisten Funktionen der App sind immer dann verfügbar, wenn du sie tatsächlich brauchst.

Eine weitere Möglichkeit ist die Kontaktaufnahme mit psychologischen Beratungsstellen. Diese bieten oft Einzelberatungen, aber auch Gruppentherapien, Seminare und Vorträge zu bestimmten Themen an - kostenlos oder gegen eine Spende. Geeignete Beratungsstellen finden Sie über das Sozialamt, den Sozialpsychiatrischen Dienst, die Wohlfahrtsverbände oder Kirchengemeinden (z.B. Caritas, Diakonie etc.).

Eine letzte Möglichkeit sind Selbsthilfegruppen und Online-Foren, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Auf https://www.nakos.de/ findest du Adressen für deine Stadt oder auch Online-Angebote. Diese Seite bietet nicht nur Hilfe für mentale Probleme, sondern auch für verschiedene körperliche Erkrankungen. 

Unabhängig von diesen Tipps ist die Suche nach einer passenden Behandlung anstrengend, frustrierend und mit viel Schweiß und Tränen verbunden, aber aufgeben ist keine Option. Du hast diese Hilfe verdient und du hast es vor allem verdient zu heilen. 

xx baj. 

 

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