Gesunder Egoismus ist ein wesentlicher Aspekt des persönlichen Wohlbefindens. Dabei geht es darum, die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen zu priorisieren, ohne die Bedürfnisse anderer zu missachten. Gesunder Egoismus kann jedoch manchmal tiefsitzende Ängste auslösen, insbesondere die Angst vor dem Verlassenwerden.
Gesunder Egoismus, auch bekannt als gesunde Selbstbezogenheit, ist die Praxis, auf ausgewogene Weise für sich selbst zu sorgen. Es geht darum, zu erkennen, dass deine Bedürfnisse und Wünsche genauso wichtig sind wie die der anderen. Das bedeutet nicht, egozentrisch zu sein oder das Wohlergehen der Menschen um dich herum zu vernachlässigen; es bedeutet vielmehr, dein Recht anzuerkennen, deine eigene Gesundheit, dein Glück und dein Wachstum an erste Stelle zu setzen. In einer Welt, in der Selbstaufopferung oft verherrlicht wird, insbesondere in Beziehungen, kann es eine Herausforderung sein, gesunden Egoismus zu praktizieren. Die Gesellschaft lobt häufig diejenigen, die anderen endlos viel geben, manchmal auf Kosten ihres eigenen Wohlbefindens. Doch ohne ein starkes Selbstgefühl und die Fähigkeit, „nein“ zu sagen, werden wir immer erschöpfter, nachtragender und sind letztendlich weniger in der Lage, andere auf sinnvolle Weise zu unterstützen.
Sobald du beginnst, deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen durchzusetzen, kann dies, insbesondere wenn du zuvor eher entgegenkommend warst, die Angst vor dem Verlassenwerden triggern. Diese Angst wurzelt in der Überzeugung, dass andere einen verlassen oder deren Liebe und Unterstützung entziehen könnten, wenn man sie nicht immer an die erste Stelle setzt. Die Angst vor dem Verlassenwerden hängt oft mit vergangenen Erfahrungen zusammen, wie Vernachlässigung in der Kindheit, traumatischen Beziehungen oder sogar gesellschaftlichen Konditionierungen, die Selbstaufopferung mit Liebe und Wertschätzung gleichsetzen. Wenn du anfängst, dich selbst an die erste Stelle zu setzen, kann es sich anfühlen, als würdest du die Stabilität deiner Beziehungen aufs Spiel setzen, was zu Ängsten und letztlich dem Bedürfnis führt, in alte, selbstvernachlässigende Verhaltensweisen zurückzufallen.
Wenn du anfängst, gesunden Egoismus zu praktizieren, können sich die Dynamiken in deinen Beziehungen plötzlich ändern. Freunde, Familie oder Partner, die es gewohnt sind, dass du immer verfügbar bist oder die anderen an erste Stelle setzt, könnten sich bedroht oder irritiert fühlen. Diese Veränderung kann zu Konflikten oder Distanz führen und kann letztlich die Angst verstärken, verlassen zu werden, wenn du die bisherige Erwartungen nicht weiter erfüllst. Zudem kann es sich zunächst auch unangenehm anfühlen, deine Bedürfnisse durchzusetzen, insbesondere wenn du es gewohnt bist, zuerst nach den anderen zu schauen. Dieses unangenehme Gefühl kann sich als Schuldgefühl oder Selbstzweifel äußern und die Fragen auslösen, ob du nun „zu egoistisch“ bist oder ob alle deine Beziehungen letztlich darunter leiden werden. Dieser innere Konflikt kann die Angst verstärken, die Verbindung zu den Menschen zu verlieren, die dir wichtig sind. Um ganz ehrlich zu sein, du wirst durch diesen Prozess unter Umständen Menschen verlieren, zumindest war das bei mir so, aber das waren dann schlicht nicht meine Leute. Diese Beziehungen waren eventuell immer schon einseitig, ich war aber erst jetzt an dem Punkt das wirklich sehen zu können. Lass genau diese Leute für deinen eigenen Frieden gehen.
Bei Menschen, die bereits in ihrer Vergangenheit verlassen oder vernachlässigt wurden, kann dieser gesunde Egoismus ungelöste Traumata wieder auslösen. Sich selbst an die erste Stelle zu setzen, kann dich an Zeiten erinnern, in denen du dich nicht unterstützt oder allein gefühlt hast, wodurch alte Wunden wieder aufbrechen. Dies kann es schwierig machen, gesunde Grenzen einzuhalten, ohne sich von der Angst überwältigt zu fühlen.
Um die Angst vor dem Verlassenwerden zu überwinden, ist offene Kommunikation der einzige Weg. Wenn du mit deinen Lieben darüber sprichst, dass du gerade deiner Selbstfürsorge Priorität einräumen musst und ihnen versicherst, dass es nicht deine Absicht ist, sie irgendwie wegzustoßen, sondern ein gesünderes Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, welches es dir ermöglicht, dein bestes Selbst zu sein, führt genau diese Offenheit zu einer besser Beziehung. Es ist so wichtig diese Gespräche zu führen, um der anderen Person die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, warum sich dein Verhalten ändert, anstatt sich am Ende einfach stillschweigend zurückzuziehen.
Ich glaube eines der größten Probleme ist es, dass wir vergessen, dass es in Ordnung ist, auf uns selbst aufzupassen und dass unsere Bedürfnisse berechtigt sind und da sein dürfen. Wenn wir das nicht tun, bleibt irgendwann nichts mehr übrig, das wir anderen geben können.
Für mich bedeutete das Erlernen eines gesunden Egoismus, Verhaltensweisen zu verlernen, die vor allem mit meiner eigenen, tief in der Vergangenheit verwurzelten Angst vor dem Verlassenwerden verbunden waren. Ich bin immer meiner Angst gefolgt, während ich gleichzeitig meine Bedürfnisse aufgegeben habe, und manchmal bin ich dann einfach aus dem Leben der Person verschwunden, weil mir alles zu viel wurde und ich leer und traurig war. Genau dieser Rückzug führte dann zur Manifestation meiner eigentlichen Angst. Ich habe Menschen verloren, die ich liebe, und das war dann meine "Schuld", da ich nicht in der Lage war, zu kommunizieren. Das war noch schwerer für mich, da es weder gesund noch nachhaltig war.
Gesunder Egoismus ist ein wichtiger Teil der Selbstfürsorge und des persönlichen Wachstums, kann aber auch die Angst vor dem Verlassenwerden anheizen. Es ist schwer, aus alten Mustern auszubrechen, besonders wenn sie tief in der Vergangenheit verwurzelt sind. Ich habe nicht immer eine solide Lösung oder einen Trick, der funktioniert, aber ich weiß, dass ich in den Zeiten, in denen ich mich selbst an erste Stelle gesetzt habe und meine Ängste sich nicht manifestiert haben, ich mehr und mehr gelernt habe loszulassen. Damit geht es mir heute so viel besser und ich verspreche es wird einfacher, aber ob man die Angst letztlich für immer los wird, weiss ich nicht.
xx baj.